Moderne Labordiagnostik der endokrinen Hypertonie
Primärer Hyperaldosteronismus und katecholaminproduzierende Tumore (Phäochromozytom)
Die arterielle Hypertonie hat in Deutschland eine Prävalenz von ca. 45 Prozent und ist abhängig von Faktoren wie Alter, Gewicht und Geschlecht. Das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse wie Myokardinfarkt und Apoplex korreliert direkt mit der Höhe des Blutdruckes.
In dieser enormen Menge von ca. 35 Millionen Hypertonikern in Deutschland verbergen sich mind. 10 Prozent mit sekundären Hypertonien (endokrin, renovaskulär, Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom…).1 Diese sind grundsätzlich ursächlich behandelbar: Am häufigsten liegt der primäre Hyperaldosteronismus (PHA) zu Grunde. Ein katecholaminproduzierender Tumor wie das Phäochromozytom ist seltener, er beinhaltet aber das Risiko eines malignen Vertreters.
Klinische Bedeutung des PHA
Beim PHA (Primärer Hyperaldosteronismus) kommt es zu einer Überproduktion des blutdruckwirksamen Aldosterons. Diese ist vom vorgeschalteten und durch negative Feedbackhemmung sogar supprimierten Renin entkoppelt. Ursache sind benigne (1/3 Adenome und 2/3 Hyperplasien) bzw. in sehr seltenen Fällen maligne Veränderungen (Karzinome) der Aldosteron produzierenden Zellen der Nebennierenrinde.
Symptomatik des PHA
Leider zeigt nur ein geringer Teil der Patienten die „klassische“ Trias aus schwer einstellbarem Hypertonus, Hypokaliämie und metabolischer Alkalose. Die Mehrzahl ist normokaliämisch und wird oft erst verspätet geeigneter Diagnostik (s.u.) und ursächlicher Behandlung zugeführt.
Klassifikationen des PHA
- Aldosteron produzierendes Adenom (M. Conn)
- Noduläre Nebennierenrinden-Hyperplasie
- Idiopathischer Hyperaldosteronismus
- Familiärer Hyperaldosteronismus
- Aldosteron produzierendes Karzinom (sehr selten)
Diagnostik und Indikation
Der Aldosteron/Renin-Quotient (ARQ) ist als kostengünstiges Screening etabliert. Er spiegelt die Entkopplung der Aldosteron-Produktion vom vorgeschalteten Renin wider.
Screening mittels Aldosteron/Renin-Quotient bei
- Schwer einstellbarem art. Hypertonus (≥3 Antihypertensiva) ab WHO-Grad 2 (≥160 mmHg syst. bzw. ≥100 mmHg diast.) und/oder
- Spontaner bzw. diuretika-induzierter Hypokaliämie
- Inzidentalom der Nebenniere
- Junges Alter <40 LJ bzw. positive Familienanamnese für Hypertonie < 40 LJ
- Auffälligkeiten der Speicherblutdruck-Tagesrhythmik (non-dipper bzw. inversed-dipper)
Aufgrund des bekanntermaßen weit überwiegenden Anteils normokaliämischer Patienten mit primärem Hyperaldosteronismus ist ein ARQ-Screening aller Patienten anerkannt. 2
Diagnostisches Vorgehen
- Screening: Bestimmung von Aldosteron und Renin, Berechnung des ARQ
- Bestätigung: Kochsalzbelastungstest
- Lokalisationsdiagnostik (bei positivem Bestätigungstest)
- Bildgebung der Nebennieren (CT bzw. MRT)
- Renin-Aldosteron-Orthostase-Test
- Nebennierenvenen-Katheterisierung
Präanalytik PHA
Vor der Diagnostik ist eine spontane bzw. diuretika-induzierte Hypokaliämie auszugleichen.
Folgende Medikamente beeinflussen den ARQ und sollten – so klinisch vertretbar - während der gesamten Diagnostikphase abgesetzt werden (Ausnahmen s.u.):
1 Woche vorher: ß-Blocker, zentrale α2-Agonisten (z.B. α-Methyl-Dopa), Antihypertensiva (ACE, AT-I), Diuretika
4 Wochen vorher: Spironolacton, Eplerenon, Drospirenon,
nicht abgesetzt werden brauchen: Alpha-Blocker, Kalziumantagonisten (Verapamil-Typ) und Vasodilatatoren (Hydralazin)
Sollten bestimmte Medikamente nicht abgesetzt werden können, bitten wir um Mitteilung der verbliebenen Medikation.
Entnahme: Morgendliche Blutabnahme (2 Stunden nach dem Aufstehen) am liegenden Patienten nach 30 minütiger Ruhephase
Zwischenlagung: Material muss am Entnahmetag im Labor eintreffen.
Untersuchungsmaterial: Aldosteron: Serum (weiße Serummonovette) / Renin: EDTA-Plasma (rote EDTA-Monovette)
Bei zeitgleich bestimmtem Renin und Aldosteron wird der ARQ automatisch im Befund mit ausgegeben.
Klinische Bedeutung des Phäochromozytoms
Den katecholaminproduzierenden Tumoren (Phäochromozytom, Paragangliome) gemeinsam ist eine erhöhte Speicherung kreislaufwirksamer Katecholamine und deren krisenhafte bzw. kontinuierliche Freisetzung. Neben typischerweise ein- bzw. beidseitigen, zu 85% gutartigen Nebennieren-Tumoren gehören hierzu auch die extraadrenalen Paragangliome. Diese sind überwiegend im Grenzstrang gelegen und bis zu 30% maligne Dopaminsekretion gilt als Indiz für Malignität.
Das mittlere Alter liegt bei 40-50 Jahren, die Inzidenz bei 1/100.000/Jahr.
Bis zu 25% aller Phäochromozytome sind hereditär bedingt (z.B. bei MEN Typ2, von-Hippel-Lindau-Syndrom, Neurofibromatose Typ 1 oder Mutationen der SDHB-Gene). Daher bedarf jedes Phäochromozytom einer gezielten Lokalisations- und Umgebungsdiagnostik hinsichtlich hereditären Ursprungs.
In der MIBG-Szintigraphie können Tumore, die ausschließlich Dopamin produzieren und damit malignitätsverdächtig sind, stumm bleiben. In diesem Fall sind geeignete Bildgebungen wie Octreotid-Szintigraphie bzw. DOTATOC-PET anzuwenden.
Symptomatik des Phäochromozytoms
Führend sind - abhängig vom Freisetzungsverhalten - schwer einstellbare Hypertonie und/oder krisenhafte Entgleisungen, bei welchen Kopfschmerzen, Blässe und Schwitzen hinzutreten.
Diagnostik und Indikation
Die effektivste Diagnostik ist die Bestimmung der Metanephrine im EDTA-Plasma bzw. im 24h-Sammelurin. Metanephrine entstehen kontinuierlich durch Abbau von Katecholaminen, die aus Speichervesikeln nach intrazellulär diffundieren. Sie sind daher entgegen den Katecholaminen kontinuierlich nachweisbar und nahezu unabhängig von krisenhafter Freisetzung. Wiederholte Untersuchungen sind seltener notwendig.
Metanephrin-Bestimmung bei
- Schwer einstellbarem art. Hypertonus (≥3 Antihypertensiva) ab WHO-Grad 2 (≥160 mmHg syst. bzw. ≥100 mmHg diast.) und/oder
- Inzidentalom der Nebenniere
- Jungem Alter <40 LJ bzw. positive Familienanamnese für Hypertonie < 40 LJ
- Paradoxer Blutdruckreaktion ( z.B. bei Operationen oder Speicherblutdruck-Messung (non-dipper bzw. inversed-dipper)
- Plötzlichen Panikattacken
Präanalytik Phäochromozytom
Folgende Medikamente und Genussmittel beeinflussen die Diagnostik und sollten daher – so klinisch vertretbar - während der gesamten Diagnostikphase abgesetzt werden:
ca. 5 Tage vorher: Betablocker, Diuretika, trizykl. Antidepressiva, Phenoxybenzamin
am Untersuchungstag: Kaffee, Zigaretten und schwere körperliche Arbeit meiden.
Untersuchungsmaterial: Metanephrine im EDTA-Plasma (1 rote EDTA-Monovette) oder Metanephrine im 24-h-Sammelurin
Hinweis: Für die EDTA-Bestimmung ist eine Pause 20 min. stressfreien Liegens von Punktion bis Blutentnahme anzustreben.
Literaturhinweise
1 Quelle: Deutsche Hochdruckliga, Stand 09/2011 2 Herold, Innere Medizin 2013 3 L. Thomas, Labor und Diagnose 8. Auflage 2013
Stand: März 2014
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